*1957 in Peking, China. Lebt und arbeitet in Peking
Chinesischer Künstler
Bekannt für Projekte wie die Zusammenarbeit mit Herzog & de Meuron beim Peking Olympiastadion (2008), sowie für seinen Einsatz des Internets und Social Media als Plattform für seine künstlerisch-politischen Aktivitäten
Kunsthistorischer Kontext: Zeitgenössische Konzeptkunst, politische Kunst
Ai Weiwei ist Konzeptkünstler, Aktivist, Architekt, Kurator, Filmemacher und der bekannteste Künstler Chinas. Seine Werke beleuchten Themen der Meinungsfreiheit, der Rechte des Einzelnen und der Menschenrechte in China und der ganzen Welt. Viele werden mit minimalen Formen und Methoden realisiert, bei anderen modifiziert und manipuliert er traditionelle Möbel, antike Keramik und Alltagsgegenstände auf eine Weise, die kulturellen Werte in Frage stellen und die politischen Behörden herausfordern. Für seine offene Kritik an der chinesischen Regierung wurde Ai 2011 während Monaten inhaftiert und später unter Hausarrest gestellt. "Ich betrachte mich nicht als dissidenter Künstler", sagt er. "Dissident ist die Regierung!"
Ausgestellte Werke
To be found, 2013. 2nd | A | "In diesem Projekt untersucht der Künstler die Grenzen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren resp. Unzugänglichen; zwischen Original und serieller Reproduktion; zwischen dem Akt der Schöpfung und der Akt der Zerstörung; zwischen dem Material und dem, was nur als Mythos existiert. Ai Weiweis Skulptur besteht aus drei zylindrischen Gräben, gefüllt mit Scherben, Erde und Torf. Die Gräben sind zu einem gleichschenkligen Dreieck angeordnet, mit einer Seitenlänge von 100 Metern. Das vergrabene Geschirr sind Porzellan-Replikate einer Vase, die in einem chinesischen Tempel in der Mitte des 14. Jahrhunderts gefunden. Die Replikate wurden produziert während der Künstler an der Serie Ghost Gu Coming Down the Mountain (2005) arbeitete und dann in Hunderte von Stücken verschiedener Formen und Grössen gebrochen. Die ursprüngliche Vase wurde während der Zeit der Herrschaft der mongolischen Yuan-Dynastie (1269-1368) geschaffen, wahrscheinlich zwischen 1330 und 1370. Die blau-weissen Porzellan-Vase ist verziert mit einer Szene, die Wang Yi (nach anderen Quellen: Wang Xu), auch bekannt als Guiguzi (Meister des Tals der Gespenster) - ein Stratege und Lehrer - auf einem Wagen zeigt, der von einem Tiger und einem Leoparden gezogen wird. Guiguzi galt als der Autor der berühmten strategischen Abhandlungen der Ära der Streitenden Reiche. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte dieses kostbaren Objekts interessierte sich Ai Weiwei besonders für die Fetischisierung von bestimmten Gegenständen und ihrer komplexen Geschichte, die von der kolonialen Logik von Raub und Aneignung zeugt; gleichzeitig betonte er die unbekümmerte Ausrottung des Erbes der antiken chinesischen Kultur, welche die brutale Modernisierung des heutigen China mit sich gebracht hat. Die Original-Vase, die als Vorlage für die Replikate von Ai Weiwei diente, war im Jahr 2005 von der Londoner Auktionshaus Christies für US $ 27.700.000 verkauft worden; eine Rekordsumme für einen chinesischen Kunstwerk. Es wurde gemunkelt, dass die seltene und kostbare Vase einem anonymen chinesischen Konsortium gekauft wurde, um sicherzustellen, dass dieses historische Überbleibsel in sein Herkunftsland zurückgebracht werden kann. Ai Weiweis Skulptur kann im Rahmen der Kunstgeschichte und der Avantgarde des 20. Jahrhunderts als Konzeptkunst, Ready-made, Minimalismus oder Land Art interpretiert werden. Paradoxerweise, obwohl das Werk ein materielles ist mit einer Masse von taktiler Beschaffenheit und Gewicht, hat, so ist es doch gleichzeitig unsichtbar und unzugänglich für die Betrachter. Dadurch wird ein konzeptioneller Mythos erzeugt, eine Art urbane Legende. Die Realisierung des Projektes hatte auch eine performative Dimension, die an Bestattungsrituale erinnerte oder an Versuche, seine Besitztümer angesichts einer sich nähernden Katastrophe zu verstecken, aber auch an archäologischen Methoden. In Warschau erhält Ai Weiweis unsichtbare, unterirdische Skulptur zusätzliche Bedeutung. In der Stadt, welche die Ruinen der zerbombten und abgebrannten Gebäude des Zweiten Weltkriegs in sich birgt, wie auch solch ergreifende Zeugen der Vergangenheit wie das Archiv von Emanuel Ringel (der 1942 und 1943 in drei Milchkannen ein Archiv vergrub, welches sich auf das Leben im Warschauer Ghetto bezog), hat die Erde häufig eine textuelle Dimension; es wird zu einem Palimpsest, mit dessen Entschlüsselung künftige Generationen von Wissenschaftlern beschäftigt sein werden. In Bródno, passt das Projekt von Ai Weiwei perfekt in den gegebenen archäologischen Kontext: es wir hier, ein paar Kilometer vom Bródno Park entfernt, wo die Überreste einer Siedlung aus dem 11. Jahrhunderts entdeckt wurden, die den Anfang dessen bildete, was später "Warschau" genannt werden sollte. Ai Weiweis Arbeit ist auch eine Botschaft an die künftigen Generationen, für die sie ein Werk darstellen wird, das es zu finden gilt. Dabei sollte man die Zeit aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive betrachten und statt von einer menschlichen Zeitskala eine geologische ansetzen: Die geheimnisvollen Gräben, gefüllt mit Bruchstücken von chinesische Vasen aus dem 14. Jahrhundert, erinnern an die Voyager Golden Record, die 1977 an Bord einer amerikanischen Space Shuttle ins All geschickt wurden. Diese Aufzeichnung mit Daten über die Kultur der Menschenrasse auf unserem Planeten war ein Nachricht an anderen Kulturen und die Menschen der Zukunft. Diese Replikate von wertvollen antiken Artefakten, geschaffen von einem der grössten zeitgenössischen Künstlern, sind jedoch nicht ein Versuch, eine archäologische Täuschung zu konstruieren. Sie erzählen eine Geschichte - über die Unmöglichkeit, sich eine Welt vorzustellen, in der nicht vorhanden sind, und über eine Zeit, die ihren linearen Charakter verloren hat. In einer fernen Zukunft wird Ai Weiwei's Arbeit die Spuren menschlicher Zivilisation und einer ihrer faszinierendsten Tätigkeiten darstellen: Kunst." (1) | |
Links
Aiweiwei.com | To be found (Video)Lisson Gallery | Mary Boone Gallery | Galerie Urs Meile | Christine Koenig Galerie | Chambers Fine Art | Galerie Michael Janssen | Galeria Continua | Tate
Quellen
(1) Sebastian Cichocki: Bródno Sculpture Park. Chapter 6. Sunday, July 13, 2014, 4:00 PM (Auszug aus dem Ausstellungstext).
Credits
All reproductions © Ai Weiwei, Photos: César Delgado Martín