* 1983 in Taipeh, Taiwan. Lebt und arbeitet in Taipeh
Taiwanesischer Künstler
Niu Jun Qiang interessiert sich für die Schnittstelle(n) zwischen Physis und Psyche, zwischen Materialität und Spiritualität. Seine künstlerischen Praxis ist der Versuch, Werke und Situationen zu schaffen, in denen immaterielle Phänomene – z.B. Empathie, religiöse Erlebnisse – physisch erfahrbar werden.
Ausgestellte Werke
NIU Jun Qiang Solo Exhibition 2018, 2018. 2. OG | A | Video und Audio, Installation, Licht. NIU Jun Qiang Solo Exhibition 2018 ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Raum wird ein Video abgespielt, das den Künstler zeigt, wie er einen blinden Freund durch einen leeren Ausstellungsraum führt und ihm detailliert beschreibt, welche Werke er hier angeblich zeigen wird, in Wirklichkeit aber nie ausgestellt hat. In diesen Werken geht es um die Frage, was Gott ist, wie wir uns seine Erscheinung vorstellen und welche Gefühle wir mit seiner Anwesenheit verbinden. Im zweiten Ausstellungsraum wird nichts gezeigt: Dieser Raum bleibt leer. Die Schlussszene des Videos zeigt den leeren (zweiten) Ausstellungsraum und verwischt damit die Grenze zwischen dem virtuellen Raum im Video und dem physischen Raum in der Realität. Der Ausstellungsraum ist somit nicht mehr (nur) der Ort, an dem das Werk ausgestellt wird, sondern verwandelt sich in das Kunstwerk selbst. Durch die Konstruktion einer Ausstellung, die nie stattgefunden hat und die nur durch Beschreibungen evoziert wird, während sich die Besucher in Wirklichkeit in einem leeren Ausstellungsraum befanden, wollte der Künstler eine Art "Nachbild"-Erfahrung schaffen, die es ihnen ermöglichte, in die nicht-physische Dimension einzutauchen. Das Durchschreiten der leeren Ausstellungsräume wird so zu einer Art religiösen Ritual, das die körperliche Erfahrung des Blindseins in ein höheres Sehen verwandelt. | |
Longevity, 2013 2. OG | A | Dreikanal-Videoinstallation, Handschrift. Das Video zeigt drei weissen Körperteile des Künstlers: den Fingernagel, das Weiss des Auges und den Zahn, alles gefilmt in Makro-Cinematografie. Die extremen Nahaufnahmen erwecken den Eindruck, als ob es nichts zu sehen gäbe. Der Bildschirm war jedoch so installiert, dass das Publikum den Inhalt des Videos ohnehin nicht sehen konnte. Hier stösst das Video als Medium des Sehens an seine Grenzen, da das Abgebildete praktisch unsichtbar wird. Andererseits bedeutet dies nicht den Tod des Mediums Video, es bleibt (künstlerisch) bedeutsam, aber in einer anderen Form – es wird in der Installation als einzige Lichtquelle genutzt, die sichtbar macht, was sonst verborgen bliebe, nämlich die versteckten Worte, die der Künstler auf den Boden geschrieben hat. Auf diese Spannung zwischen Reduktion und Unzerstörbarkeit spielt der Künstler mit dem Titel "Longevity" an und lässt uns fragen: Was ist Ewigkeit? | |
Reveal, 2020 2. OG | A | Dreikanal-Video, Installation, 4-Kanal-Stereomischung. Die Videoinstallation lädt den Betrachter ein, in das Unbewusste einzutauchen. Eine sanfte Frauenstimme versetzt uns in einen hypnotischen Zustand und nimmt uns mit auf eine Reise nach Italien. Nach einer Weile wechselt der Bildschirm von einer leeren schwarzen Fläche zu einer schummrigen Lichtfläche, die wie eine Flamme mit der Stimme der Hypnotiseurin flackert. In Reveal ("Enthüllen") geht es um die Korrespondenz zwischen den Bildern des inneren Bewusstseins und den äusseren Bildern. Diese Korrespondenz wird von religiösen Erfahrungen und der Erforschung des kollektiven Unterbewusstseins abgeleitet. Das Werk lehnt sich an Andrej Tarkowskijs Film Nostalghia (1983) an, indem es eine Hypnotiseurin einlädt, dieses Werk zum Kerzenfeuer zu erzählen. Im flackernden Licht des Kerzenfeuers stellt sich die Frage, welche Lücken zwischen den Bildern in den Köpfen der Betrachter und den Originalbildern im Film entstehen. | |
Self Portrait, 2016. 2. OG | A
| Fotografien und Leder, Installation. Die beiden Fotografien stellen den Künstler als blinden Mann vor, der mit weisser Farbe in einem weissen Raum malt. Weder weiss er, dass er sich in einem weissen Raum befindet, noch kennt er die Farbe an seinen Händen – er malt einfach und malt weiter. So sieht Niu Jun Qiang seine Situation als bildender Künstler in der zeitgenössischen Kunstwelt. Als der Künstler 2015 als Freiwilliger im Blindeninstitut von Taiwan arbeitete, fragte er zwölf blinde Menschen, wie er ihrer Meinung nach aussieht. Sie antworteten auf nicht-visuelle Weise und beschrieben sein Aussehen anhand von Geräuschen, Gerüchen und räumlichen Bewegungen. Später übersetzte der Künstler ihre Beschreibungen in Blindenschrift und gravierte sie auf 12 Lederstücke, deren Grösse der Statur seines Körpers entsprach. Auf diese Weise wurden die gravierten Lederstücke zu einer sichtbaren, aber unverständlichen Skulptur für Menschen, die die Braille-Schrift nicht lesen können, während nur sehbehinderte Menschen über das oberflächliche Erscheinungsbild hinaus "sehen" und die wahre Bedeutung dieser Skulptur durch Berührung verstehen können. In seiner Dialektik zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit lädt das Werk dazu ein, über unsere gängigen Vorstellungen von einem Kunstwerk und seinem Aussehen nachzudenken. | |
Links
Natniu.net | Michael Ku Gallery | Weitere Informationen 1 | 2
Credits
Sämtliche Reproduktionen mit freundlicher Genehmigung des Künstlers © Niu Jun Qiang